Der Name Lhasa bedeutet „der Platz der Götter“. Wir besuchten den heiligsten Schrein der Welt, Jo-Kang. Ihn ziert ein goldenes Dach, das in der Sonne strahlt. Dieser Schrein war A. D. 650
errichtet worden, um das Bild des Buddha zu bewahren, das die Ehefrauen des großen Königs Song-Tsen Gampo gebracht hatten.
1925 brach in Lhasa eine Pockenseuche aus, bei der ungefähr 8000 Menschen starben; ihre Körper wurden damals auf Haufen gestapelt und außerhalb der Stadt verbrannt, und der Gestank, so sagte man
mir, sei allzu schauderhaft gewesen.
Als wir am Tempel von Jo-Kang entlang gingen, sahen wir, wie sich Bettler und Pilger gleichsam in den Schmutz vor dem Tempel warfen, wobei sie ohne Unterlass Gebete sprachen; sie krochen auf
ihren Bäuchen, weil es ein Sakrileg gewesen wäre, aufrecht zu gehen. Wie steht es um die Vernunft des Menschen, wenn er ein mit Händen errichtetes Gebäude verehrt?
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3. Auflage Nov. 2014, Softcover, A5, 204 Seiten, ISBN 978-3-943313-22-2
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Er kriecht im Staub und wertet seine wirkliche Seele herab – den wirklichen Tempel des lebendigen Gottes. Ich war so angewidert von dem, was ich sah, dass für mich die bloße Gegenwart des
großartigen Potala jede Bedeutung verlor.
Wir betraten den Tempel dort, wo eine große mit Diamanten und kostbaren Steinen geschmückte Figur Buddhas stand, wahrscheinlich das kostbarste Bildnis der Welt. Um dieses Bildnis herum befanden
sich goldene Butterlampen, die seit Jahrhunderten brannten. Wir gingen auch an anderen Schreinen vorüber, aber diese zu beschreiben, würde ein eigenes Buch füllen.
Ein Schrein, den ich erwähnen muss, ist der von Palden Lhamo. Dieser Buddha ist gleichwertig mit der Hindugöttin Kali, Frau des Shiva. Dort befanden sich zwei Bilder, von denen eines sie als ein
fürchterliches, in die Häute ihrer menschlichen Opfer gekleidetes Monster darstellte, das Hirne aus einem menschlichen Schädel fraß; um sie herum befanden sich die Embleme von
Krankheit und Tod, fratzenhafte Masken und all die abscheulichen Vorrichtungen zum Töten von Menschen. Ihr Gesicht war allzu grauenhaft, man mochte es nicht ansehen. Das war das, worauf die
armen, getäuschten Menschen schauen mussten! Wenn das eine Religion ist, dann ist es besser, wenn wir sie so schnell wie möglich loswerden, und vielleicht wird nun, da die Kommunisten diese
sogenannte heilige Stadt besetzt haben, desto eher diese sogenannte Religion, die auf Intrigen beruht, auf die Müllhalde verbannt, wohin die meisten ihrer armen, getäuschten Anhänger nach ihrem
Ableben gnaden-, sorg- und lieblos geworfen werden. Was ich im Potala sah, werde ich ausführlicher im nächsten Kapitel beschreiben. * * * Die landwirtschaftlichen Methoden im heutigen Tibet sind
exakt dieselben wie noch vor eintausend Jahren. Die Ackerfläche wird noch immer mit primitiven Pflügen aufgerissen, aber ohne die Winterfröste wäre dieses Pflügen, um den Boden aufzubrechen,
vergeblich.
Der Klang der tieftönigen Kuhglocken, die um die Nacken der Yaks oder Dzos hängen, welche die Pflüge ziehen, gesellte sich zu jenem faszinierenden Bild, das einen, wenn auch primitiven, Charme in
sich trägt. Die Frauen mit ihren auf Kniehöhe gekrempelten Kleidern gehen barfuß hinter dem Pflug her und verstreuen die Saat, die mittels einer primitiven Egge sogleich mit Erde bedeckt wird,
wobei die Egge aus einem Holz mit harten Holzstiften gefertigt ist, die durch hierfür gebrannte Löcher gesteckt wurden.
Sobald die Sämlinge erscheinen, kommt der Ngak-Pa bzw. Wunderwirker seines Weges und hat sehr viele Matschbälle bei sich; und er legt einen Zauber auf die Erde, steigt auf den nächstgelegenen
Hügel und bietet den verschiedenen Geistern Gebete zum Schutze des Getreides vor Hagelkörnern an, wobei diese Hagelstürme in Tibet nicht selten sind.
Wenn Wolken am Horizont erscheinen, dann streckt er den vierten Finger seiner rechten Hand aus, bläst Töne auf einer Trompete aus menschlichen Hüftknochen und befiehlt dem Sturm, sich zu legen.
Wenn der Sturm nicht gehorcht und Hagelkörner fallen, dann steigert er sich in eine Raserei, wiederholt Mantras über seine Gebetsperlen und schleudert eine Handvoll dieser verwunschenen
Matschbälle gegen den Sturm.
Wenn der Hagel vorbeizieht, ohne das Getreide zu schädigen, steht er im Zentrum der bäuerlichen Bewunderung und Ehrfurcht, aber sollten sie ihre Ernte verlieren, entgeht ihm selbst nicht nur sein
Entgelt, sondern er muss auch noch eine von der Regierung ausgesetzte Strafe zahlen. Das ist idiotischer Aberglaube vom Feinsten.
Zur Erntezeit zieht das ganze Dorf aus, um das Getreide einzuholen, das an Ort und Stelle geschnitten und gedroschen wird. Es wird ein geeigneter Untergrund vorbereitet und dann werden die Ochsen
gebracht, um das Korn oder was immer es ist, herauszutreten und sich dabei ihre eigenen Mägen zu füllen.
Das Dreschen wird mit Dreschschlegeln besorgt, die aus zwei Hölzern bestehen, die mit einem Yakhautgelenkband verbunden sind; dann wird die Spreu vom Korn getrennt und zur Viehfütterung im Winter
verstaut.
Wenn die Ernte vorüber ist, herrscht große Freude; die Menschen tanzen und trinken Bier nach Herzenslust, wobei viele nicht mehr aufrecht stehen können. Das „Ereignis“ endet dann mit Singen und
Tanzen. [Ende der Leseprobe]